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2022-09-17 11:16:32 By : Ms. Penny Huang

Die Fußball-EM 2024 in Deutschland wird ohne Stehplätze stattfinden - unabhängig davon, wie der Test der UEFA zur Rückkehr von Stehplätzen im Europapokal ausgeht.

Das bestätigte der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der das Turnier gemeinsam mit der UEFA veranstaltet, auf Anfrage der Sportschau. "Da erst im Sommer des Jahres 2023 und damit nur ein Jahr vor der UEFA EURO 2024 die Ergebnisse vorliegen und daraus folgende Maßnahmen vorgeschlagen werden, ist der Zeitraum zu knapp, um diese in das Ticketkonzept für das Turnier zu integrieren", teilte der DFB mit.

Die UEFA hatte zu Saisonbeginn in der Champions League , der Europa League und der Europa Conference League das seit 1998 geltende Verbot von Stehplätzen im Europapokal aufgehoben und testweise in Deutschland, Frankreich und England Stehplätze wieder zugelassen. Über eine Fortführung und Ausweitung der Zulassung von Stehplätze soll das UEFA-Exekutivkomitee am Ende der Saison 2022/23 entscheiden.

Die Fan-Organisation Football Supporters Europe (FSE) zeigte sich über die Entscheidung enttäuscht. "Das ist eine verpasste Gelegenheit, eine neue Generation von Fußballturnieren zu beginnen", sagte Ronan Evain von FSE im Gespräch mit der Sportschau. "Natürlich ist der zeitliche Ablauf herausfordernd. Aber es ist enttäuschend, dass keine andere Lösung gefunden wurde. Gerade weil Deutschland die größte Erfahrung mit Stehplätzen hat."

Ronan Evain von Football Supporters Europe (FSE)

In Deutschland laufen zahllose Spiele von der Bundesliga bis in die unteren Ligen seit Jahrzehnten problemlos ab, ohne dass die Stehplätze ein Risiko darstellen. Mit Ausnahme von Berlin findet die EM in Stadien statt, die im Ligabetrieb Stehplätze anbieten.

Im Zuge der Katastrophen von Heysel in Belgien 1985 mit 39 getöteten Menschen und Hillsborough 1989 mit 97 Toten wurden die Stehplätze in der Politik als mitursächlich betrachtet, obwohl später bauliche Zustände der Stadien, die Organisation oder das Versagen von Polizei und Sicherheitskräften als Gründe ermittelt wurden.

In Hillsborough 1989 kamen 97 Menschen ums Leben, Ermittlungen ergaben eine Fehlorganisation.

In England verschwanden die Stehplätze aus den Stadien nach dem sogenannten "Taylor Report" im britischen Parlament. Dieser Bericht eines Parlamentariers enthielt mit Blick auf Hillsborough als Hauptforderung die vollständige Beseitigung aller Stehplatzbereiche. Die UEFA übernahm 1998 dieses Prinzip für internationale Spiele.

Auch in Deutschland wurde in den neunziger Jahren zwischenzeitlich die generelle Einführung von Sitzplätzen erwogen. "Als sich abzeichnete, dass es in England und anderen Ländern nur noch Sitzplätze geben wird, protestierten Organisationen wie das Bündnis aktiver Fußballfans gegen solche Maßnahmen in Deutschland", sagte Martin Endemann von FSE Anfang September der Sportschau.

Auch im Zuge des Neubaus und der Renovierung vieler Stadien rund um die WM 2006 blieben die Stehplätze erhalten. Fast alle Stadien im deutschen Profifußball haben aktuell Stehplätze. Endemann nennt die Stehplätze "einen Ort der Begegnung". "Weil man sich dort anders bewegen kann. In der Halbzeit kann man Freunde treffen, ohne über Sitzreihen klettern zu müssen." Heute wie damals seien Stehplätze der Ort, von dem die Stimmung im Stadion ausgeht und ein fester Bestandteil der deutschen Fankultur. Niedrigere Preise als auf den Sitzplätzen ermöglichen zudem finanziell schwachen Menschen den Stadionbesuch.

Neben den Spielen in München 2021 war Deutschland zuvor Gastgeber der WM 2006, die ausschließlich mit Sitzplätzen stattfand. Bei der EM 1988 und der WM 1974 gab es noch Stehplätze bei Turnieren in Deutschland. Letztmals Stehplätze bei einem großen Turnier im Männerfußball gab es bei der EM 1992 in Schweden.

Stehende Fans aus Deutschland und Dänemark bei der EM 1988 in Gelsenkirchen.

Der DFB hatte in einem für März 2020 geplanten Test gegen Italien in Nürnberg erstmals bei einem Länderspiel wieder Stehplätze eingeplant, was als erster Vorstoß galt. Stehplätze gehörten in Deutschland fest zum Stadionerlebnis, sagte der damalige DFB-Präsident Fritz Keller im Vorfeld des angesetzten Spiels: "Das darf bei der Nationalmannschaft, die Anhänger aus allen Gruppen der Gesellschaft hat, nicht anders sein." Der Beginn der Coronavirus-Pandemie verhinderte aber die Austragung des Spiels, ein weiterer Versuch folgte nicht.

Länderspiele sind aktuell generell nicht in den Test zur Rückkehr der Stehplätze von der UEFA einbezogen. Die deutsche Nationalmannschaft spielt am 23. September in London (Wembley ) gegen England und am 26. September in Leipzig gegen Ungarn ihre beiden letzten Gruppenspiele in der Nations League .

Noch nicht bekannt ist, welche Preise die UEFA für Eintrittskarten bei der EM erheben wird. Bei der im Jahr 2021 ausschließlich mit Sitzplätzen ausgetragenen EURO 2020 in mehreren europäischen Ländern kosteten die günstigsten Karten in der Gruppenphase in München 50 Euro. Am anderen Ende wurden die teuersten regulären Karten (ohne VIP) beim Endspiel in London für 945 Euro verkauft.

*Die Preise in Klammern galten nur für Baku, Budapest und Bukarest.

Die Einnahmen durch Eintrittskarten sind für die UEFA angesichts der lukrativen TV-Rechte bei den EM-Turnieren nicht der bedeutsamste, aber doch ein wichtiger Posten. 226,2 Millionen Euro nahm die UEFA 2021 mit Eintrittskarten und VIP-Paketen ein. Das bedeutete immerhin zwölf Prozent der Gesamteinnahmen von fast 1,9 Milliarden. Im Vergleich zur EM 2016 in Frankreich ist das ein Rückgang, was aber auch an den damals teilweise geltenden Corona-Einschränkungen lag.