ZEIT ONLINE

2022-09-03 09:20:57 By : Mr. yuzhu Sun

Wer das zweifelhafte Vergnügen hat, in Russland regelmäßig fernzusehen, wird mit einem Widerspruch konfrontiert. Die Propaganda malt ein Bild vom heroischen Kampf um Leben und Tod gegen den Westen – doch im russischen Alltag tun die Behörden so, als durchlebe das Land eine Phase unerschütterlichen Friedens.

Dieser Widerspruch durchzieht die russische Politik seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine. Statt einer nationalen Mobilisierung von Soldaten erlebt die russische Bevölkerung eine Chloroformierung. Derzeit feiert Moskau ein Blumenfestival auf dem Manegeplatz am Kreml. Soldaten werden mit Geld geworben, aber nicht systematisch eingezogen. In den Krieg gehen wollen nur wenige. Die Großstädte Moskau, Sankt Petersburg und Jekaterinburg leben schon länger im postheroischen Zeitalter. Die "Operation" überlässt man besser den Wagner-Söldnern, den nicht russischen Republiken und den armen Regionen des Landes.

An der Überwindung dieses Widerspruchs versucht sich in diesen Tagen die russische Armee. Ihre Agitprop-Abteilung wirbt für die Streitkräfte als bürgerfreundliche Institution. Zum Beispiel im August mit einer militärisch-technischen Ausstellung im Park Patriot südlich von Moskau. Dort konnten Kinder auf Panzern herumklettern und die Eltern nuklearfähige Raketen streicheln. Überall standen nette Offiziere mit Rat und Erklärung zur Stelle. Mittagessen gab es im Café Höfliche Leute, eine Anspielung auf Wladimir Putins Bezeichnung der russischen Krimbesetzer 2014.

Höhepunkt der Veranstaltung war ein "Panzer-Biathlon". Dieser Wettbewerb soll, behaupten britische Geheimdienstquellen, innerhalb der russische Armee von einigen Randstimmen als unangemessen kritisiert worden sein. Aber er fand statt. Dort traten die befreundeten Nationen Russlands in einem Panzerwettbewerb gegeneinander an. Neben China und anderen waren Vietnam und Venezuela dabei, nicht zu vergessen Abchasien. Nicht jede Mannschaft hatte mal eben ihre Panzer dabei, also stellten die russische Armee welche zur Verfügung, und zwar von altersschwacher Art, wie sie in der dezimierten Truppe im Donbass rollen. Den T-72 nämlich, der schwer nach hinten raus raucht, grauenhaft röhrt und wahrscheinlich alles emittiert, was die Welt in den Abgrund stürzt. Diese schweren Geräte reihten sich im Feld nebeneinander auf, angestrichen in Nationalfarben und mit den jeweiligen nationalen Mannschaften besetzt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer blickten von der Tribüne aufs Feld und auf einen Riesenbildschirm, auf dem sie alle Details des Kampfes verfolgen konnten.

Nach dem Startschuss walzten die Panzer ins Gelände, um kurz darauf an einer markierten Stelle zu halten. Die Soldaten saßen ab, mussten Munition laden, wieder aufsitzen und weiterfahren. An einer nächsten Stelle auf Pappkameraden schießen. Das Maschinengewehr abmontieren und anmontieren. Dann Schussfahrt durchs Gelände. Rauf auf einen Berg. Imaginärem Beschuss ausweichen. Rein in einen Graben. Und das alles in kürzester Zeit. Erwartungsgemäß lag die russische Mannschaft im Rennen vorn, was den Leuten auf der Tribüne die Gelegenheit gab, die für den Tag der Flagge gekauften Fähnchen rauszuholen und zu schwenken.

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Interessanter aber war die Mannschaft von Venezuela, weil das Land von allen Teilnehmenden den verhassten USA geografisch am nächsten liegt. Sie kamen mit ihrem Panzer nicht richtig vom Fleck, wahrscheinlich rutschte der Fuß vom Gas. Dann vergaßen sie beim Absitzen die Hälfte der Munition, wie auf dem Bildschirm genau zu sehen war. Beim Schießen verfehlten sie alle Ziele. Dann bekamen sie das Maschinengewehr nicht abmontiert, rissen daran herum, bis es schief hing und wahrscheinlich funktionsunfähig war. Schon etwas hektisch fuhren sie zu schnell auf den Berg und in den Graben, dass der T-72 nur so krachte. Für jeden Fehler mussten sie weite Strafrunden fahren. Deshalb lagen sie weit abgeschlagen hinter den in dieser Runde führenden Kasachen. Doch als der venezolanische Panzer nach wilder Fahrt über die Ziellinie vor der Tribüne ratterte, erkannte das Publikum eine groß und gelb auf den Panzer gepinselte Aufschrift: "Chavez lebt!" Wenigstens diese Botschaft tröstete über alle Strafrunden hinweg. 

Am Ende gewann natürlich die Mannschaft der Russischen Föderation. So weit das Spiel. Ob die russische Armee ihre Ziele in der Ukraine erreicht, steht dagegen zunehmend infrage. Ein echter Krieg ist kein Panzerbiathlon.

"Ihre Agitprop-Abteilung wirbt für die Streitkräfte als bürgerfreundliche Institution. Zum Beispiel im August mit einer militärisch-technischen Ausstellung im Park Patriot südlich von Moskau."

So etwas sollte verboten werden.

Dass solche dämlichen Kriegsspiele und auch Manöver relativ wenig mit einem wirklichen Krieg gemein haben ist eigentlich klar. Ich denke ähnlichen Mist könnte er auch in anderen Staaten finden, selbst den demokratischen aber waffenverrückten USA. Was will uns der Autor mit dieser Anekdote aber eigentlich sagen?

Entfernt. Bitte belegen Sie Ihre Äußerungen mit Quellen. Danke, die Redaktion/as

Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.

Die russischen/sowjetischen Panzer sind schlechter als gedacht. Allerdings hat auch die Ukraine nur Panzer, die auf sowjetischen Modellen basieren. Die ukrainischen Soldaten hätten weniger Verluste, wenn ihnen westliche Panzer zur Verfügung ständen. Also liefern. Putin kann mit Worten nicht gestoppt werden .

Die Zeit der Panzer ist vorbei! Egal, ob es russische, oder westliche sind.

Die immer besseren ATGM, Drohnen und Minen machen diesen teuren und auffälligen Monstern sehr kostengünstig den Garaus.

Kleine unbemannte Fahrzeuge, offensive Drohnen und dem unverwüstlichen Infanteristen gehört die Zukunft. Wie verwundbar auch der Leo ist hat die türkische Armee im Kampf gegen den IS bewiesen. Da gingen 11 Leo2 gegen russische ATGM verloren, ohne dass der Gegner Panzer hatte.

Wenn wir der Ukraine helfen wollen, dann benötigen sie die Mittel, um die russische Armee ausbluten zu lassen. Und das geht am besten in der Defensive. Vielleicht kann man sogar sagen, dass das Zeitalter der Offensive vorbei ist, weil die Defensivwaffen zu stark sind...

Warum eigentlich? Jeder Staat darf sich so inszenieren, wie es ihm gefällt. Die Großartigkeit Russlands muss doch vor allem nach innen demonstriert werden. Erinnert aber wohl eher an das Pfeifen im dunklen Keller....

Angeblich stehen die Russen ja mit überragender Mehrheit hinter Putin.

Die Kriegs-, äh, ich meine, die Spezialoperationsbegeisterung ist dann aber auch nicht so ausgeprägt, dass die Russen auch vorne mit dabei sein wollen.

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