Klettgau: Gemeinderat geht vor: Der TV Erzingen stellt Training für junge Sportler ein. Das sind die Gründe | SÜDKURIER

2022-07-29 09:44:26 By : Mr. Leo Tian

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Das Schreiben, das ihr Sohn Felix am Dienstag, 5. Juli, aus dem Turntraining mit nach Hause gebracht hat, hatte es für Tanja Kech aus Ühlingen-Birkendorf in sich. Seit einem Jahr trainiert der Siebenjährige in der Schüler-Gruppe (sechs bis zehn Jahre) des TV Erzingen.

Nach langer Suche habe der Junge mit dem Geräteturnen den richtigen Sport und den passenden Verein für sich gefunden. Zwei Mal die Woche geht der Siebenjährige seitdem nach Erzingen ins Training und nimmt auch schon an Wettkämpfen teil.

In dem besagten Schreiben teilte Manuel Scheyer, Oberturnwart des TV Erzingen, den Eltern nun mit, dass der Trainingsbetrieb dieser Gruppe zum 10. Juli eingestellt werden muss.

Der Grund: Das Training findet einen Tag nach der in der Regel zweiwöchentlich stattfindenden Gemeinderatssitzung in der Sporthalle Erzingen statt. Seit der Corona-Pandemie und den geltenden Abstandsregeln tagt der Gemeinderat Klettgau in einem Drittel der dreigeteilten Sporthalle.

Anfangs habe der Bauhof den nötigen Auf- und Abbau mit Spezialboden, Tischen, Stühlen und Technik für die Sitzung am Montag übernommen, schildert Manuel Scheyer. Dann sei die Sitzungsinfrastruktur dauerhaft stehen geblieben. Als die Lockerungen der Corona-Beschränkungen 2021 das Training wieder möglich gemacht haben, fragte der Verein bei der Gemeinde an, ob er das Hallendrittel wieder nutzen könne, erklärt der Oberturnwart weiter.

Dem Vorschlag, dass Mitglieder und Trainer den Aufbau der Tische, Stühle, der Podeste für Technik und die Kabelverlegung am Sonntagabend übernehmen und diese am Dienstag vor dem Training wieder abbauen, habe die Verwaltung zugestimmt. Für den Verein sei dies eine kurzfristige Lösung gewesen, um das Training wieder zu ermöglichen. Diese dauert jetzt ein Jahr an, schildert der Oberturnwart weiter.

Betroffen von der Situation ist auch der Tischtennisclub Erzingen (TTC). Dessen Mitglieder beteiligen sich ebenfalls am Auf- und Abbau, auch das Training sei seither eingeschränkt. Der TTC nutzt das Hallendrittel, indem nun die Gemeinderatssitzungen stattfinden. Während der Gemeinderatssitzungen finden keine Trainingseinheiten statt, auch nicht in den anderen beiden Hallendritteln.

„Wenn wir nicht auf- und abbauen würden, hätten wir nicht trainieren können“, sagt Thomas Jaerke, Vorsitzender des TTC Klettgau. Und ohne Training, so befürchtet der Vorsitzende, könne der Verein die Jugendspieler nicht halten.

„Nach einem Jahr ist die Situation für uns nicht mehr tragbar. Wir haben eine Riesenangst, dass viele Ehrenamtliche jetzt abspringen“, sagt Manuel Scheyer. Die Zeit für Auf- und Abbau schätzt er auf jeweils eine halbe Stunde, sieben Personen sind dabei im Einsatz.

Ende Mai hat sich Manuel Scheyer, im Namen des TV Erzingen und des TTC Erzingen, in einer E-Mail an die Verwaltung gewandt. „Wir haben unsere aktuelle Situation geschildert und gebeten zu prüfen, ob die Gemeinderatssitzung auch an einem anderen Ort stattfinden kann“, sagt Manuel Scheyer. Als alternativen Sitzungsort nennt er weitere Hallen in der Gemeinde oder die Rückkehr ins Rathaus mit der Möglichkeit, die Sitzung online für die Zuschauer übertragen.

Seitens der Gemeinde besteht das Angebot, dass die Vereine auf alle Hallen in der Gemeinde ausweichen können. „Das ist auch ein gutes Angebot, es ist aber nicht für alle möglich. Die Tischtennisplatten und bestimmte Sportgeräte sind nur in der Sporthalle Erzingen“, so Scheyer. Zudem werden die anderen Hallen bereits von den dortigen Vereinen genutzt, die Terminkoordination mit den Trainern gestalte sich schwierig, weil die Trainer beruflich stark eingebunden seien.

Nach mehreren E-Mails zwischen dem Turnverein und der Verwaltung zeigt sich Manuel Scheyer jetzt resigniert: „Auf unsere Lösungsansätze wurde nicht eingegangen, die Bitte um ein Gespräch zur Lösung blieb unerhört.“ Beide Vereinsvertreter betonen, dass sie Corona-Schutzmaßnahmen nachvollziehen können.

Scheyer kritisiert an der aktuellen Situation, dass die Belastung einseitig sei und mit dem Auf- und Abbau bei den beiden Vereinen liege. „Wäre mit einem gewissen Mehraufwand nicht eine Lösung möglich?“, fragt er. Zudem hätte sich der Verein gewünscht, dass Thema Sporthalle Erzingen und Tagungsort zum Thema im Gemeinderat zu machen.

„Wir wollten Gehör finden, haben aber keines gefunden. Das hat uns zu dem Schritt bewegt“, sagt Thomas Indlekofer, Vorsitzender des TV Erzingen. Schließlich habe der Verein die Entscheidung gefällt, den Trainingsbetrieb einzustellen und die Eltern zu informieren.

Die Tage, nachdem die Eltern das Schreiben erhalten hatten, standen im Rathaus in Erzingen die Telefone nicht still. Den Schritt des Turnvereins, das Kinderturnen auszusetzen, kann Bürgermeister Ozan Topcuogullari nicht nachvollziehen. „Wir verhindern es nicht, dass das Turntraining möglich ist“, sagt er auf Nachfrage des SÜDKURIER.

Topcuogullari verweist darauf, dass sich im Bezug auf die Hallennutzung nichts geändert habe. Die Halle ist seit Beginn der Pandemie für die Sitzungen des Gemeinderats reserviert, die anderen beiden Hallenteile stehen den Vereinen uneingeschränkt zur Verfügung. Die Anfrage des Turnvereins, das Hallendrittel wieder nutzen zu können, wenn Vereinsmitglieder Tische und Stühle ab- und wieder aufbauen, habe die Verwaltung zugestimmt.

Dies bedeute aber auch für die Gemeinde einen Mehraufwand, zählt Topcuogullari auf: Mitarbeiter der Verwaltung bauen die Mikrofonanlage und den Beamer auf und richten die Tische für die Sitzung. „Jetzt sieht sich der Verein offensichtlich nicht in der Lage, den selbstgemachten Vorschlag einzuhalten“, sagt der Bürgermeister. Er verweist darauf, dass der Turnverein den Zustand der Halle so wiederherstellt, wie die Halle vorgefunden worden war. „Ich lasse mich nicht aus der gemeindeeignen Halle vertreiben. Die Halle ist reserviert für uns“, so der Bürgermeister.

Zum Vorschlag des Turnvereins, die Sitzung in eine andere Halle zu verlegen, sagt Ozan Topcuogullari: „Wir haben keine anderen Räumlichkeiten, wir haben es geprüft.“ Die Situation in der Sporthalle sei optimal, die Zuschauer könnten auf der Tribüne Platz nehmen.

Die Möglichkeit, die Sitzung für die Zuschauer im Internet zu übertragen, bezeichnet der Bürgermeister ebenfalls als nicht ideal: „Wir haben viele ältere Zuschauer, sie haben oft keine Möglichkeit, die Sitzung online zu verfolgen.“ Auch die Sitzung abwechselnd in den verschiedenen Hallen der Gemeinde stattfinden zu lassen, sei für ihn keine Lösung: „Ein Wechsel würde die Zuschauer verwirren.“

Zum Tagesordnungspunkt im Gemeinderat möchte Topcuogullari das Thema ebenfalls nicht machen: „In der Gemeindeordnung ist es nicht vorgesehen, dass über den Sitzungsort diskutiert wird.“ Er macht die Hintergründe der Entscheidung deutlich: „Ich kann es nicht verantworten, dass der Gemeinderat, Mitarbeiter der Verwaltung und bis zu 40 Zuschauer im Rathaus-Saal sind“, so Topcuogullari. Anfänglich seien neben den Gemeinderatssitzungen auch weitere Sitzungen und Besprechungen in der Halle abgehalten worden, dies habe die Verwaltung mittlerweile aber „auf ein Minimum reduziert“.

Warum plötzlich in einem so großen Umfang kein Übungsbetrieb mehr möglich sein soll, ist dem Bürgermeister „ein Rätsel“, heißt es in einer Stellungnahme, die der Redaktion vorliegt. Die Verwaltung habe den Vereinen die Nutzung anderer Hallen ermöglicht. „Die Gemeinde bedauert die Entscheidung des Turnvereins“, so der Bürgermeister.

Von der Hallenbelegung sind fünf Gruppen betroffen – vier des TV, eine des TTC. Bei weiteren fünf Gruppen ist der Betrieb nur eingeschränkt möglich. Für drei der betroffenen Gruppen habe der Turnverein eine Lösung gefunden. Die Dance-Crew wird künftig vor der Halle im Freien trainieren, die beiden Mädchengruppen können nach Absprache in die Sporthalle Grießen ausweichen. Diese Vereinbarung gelte aber nur bis zu den Sommerferien. Für die Jungengruppe des TV und das Tischtennistraining gebe es keine Alternative.

„Ich würde mich freuen, wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen können, um eine Lösung zu erreichen“, sagt TTC-Vorsitzender Thomas Jaerke. Ähnlich sehen es Thomas Indlekofer und Manuel Scheyer: „Wenn jemand anderes die Aufgabe übernehmen würde, könnten wir damit auch leben“, so Thomas Indlekofer. Auch Bürgermeister Ozan zeigt sich gesprächsbereit: „Mit mir kann man immer reden, aber man muss auch bereit sein, eine Lösung anzunehmen.“

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