Offenburg Kunstwerk zur Pressefreiheit "Artikel 5": Neue Metzel-Skulptur bei Reiff Medien in Offenburg Nachrichten der Ortenau - Offenburger Tageblatt

2022-09-03 09:24:09 By : Ms. Dora Zhao

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„Artikel 5“: Seit Donnerstag prägt die Arbeit des renommierten Bildhauers Olaf Metzel den Offenburger Stadteingang: Künstler Stefan Strumbel, Verleger Rouven Reiff, Bildhauer Olaf Metzel und Offenburgs OB Marco Steffens (v.l.). ©Ulrich Marx

Mit „Artikel 5“ gibt es nun auch in Offenburg eine Skulptur des Bildhauers Olaf Metzel. Weit sichtbar steht sie auf dem Firmengelände von reiff medien direkt am Autobahnzubringer.

Er gilt als „Volkskünstler“, als Provokateur, kurz als einer der bedeutendsten Bildhauer und Objektkünstler der Gegenwart: Olaf Metzel. Seine Skulptur „Artikel 5“ prägt auf dem Firmengelände von reiff medien nun weit sichtbar am Autobahnzubringer den Eingang und Ausgang der Stadt,  in der, so erinnerte Oberbürgermeister Marco Steffens, bereits 1847 die „Freiheit der Presse“ in den „13 Forderungen des Volkes“ formuliert worden waren.

Am Donnerstag stellte Rouven Reiff diese Skulptur nun der Öffentlichkeit vor. OB Steffens beglückwünschte die Familie Reiff zu diesem sichtbaren Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Reiff dankte dem Künstler und erinnerte daran, dass die Initialzündung zu diesem Werk bereits im Rahmen der 200-Jahr-Feier der Mittelbadischen Presse 2012 erfolgt sei, wo er sich bei der „Aufmacherkunst“ beteiligt habe; gemeinsam mit Stefan Strumbel sei vor zwei Jahren das endgültige Werk auf den Weg gebracht worden.

An drei Stahlrohren, in einem spitzen Dreieck angeordnet, sind in 18 Metern Höhe, dort, wo die Rohre zusammengeführt werden, zwei gegenüberliegende Aluminiumplatten angebracht. Nicht plan. Denn so wie die klassische rostige Oberfläche der Rohre aus Cortenstahl, die wie Holzstämme anmuten, und auch an den Schwarzwald und die Flößerei erinnern, so suggerieren die weißen Platten gefaltetes oder geknicktes Papier. Oder eine flatternde Fahne, ein Flugblatt, meint Metzel. Und auf diesem Papier ist – schwarz auf weiß – der Artikel fünf zitiert. Mit unterschiedlichen Textzeilen an Vorder- und Rückseite. Es wirkt robust, dieses neue Werk Olaf Metzels, bodenständig, kraft- und machtvoll, und doch erstaunlich leicht, fast graziös. Eine ästhetisch ansprechende Arbeit, die sich aus sich selbst heraus erklärt.

Olaf Metzel skizzierte kurz den Werdegang der Skulptur, der im Mai 2017 begann auf Einladung der Familie Reiff. Artikel 5, so Metzel, sei ein „kostbares Gut, ganz wichtig für die Gesellschaft“. Als Künstler könne man nichts verändern, aber „ein Bild seiner Zeit“ zeichnen. Ein Kunstwerk, so Metzel, sei wie eine Notbremse im Zug – verursache einen kurzen Halt, bis es weitergeht.

Metzel ist in Offenburg kein Unbekannter. 2008 nahm er etwa gemeinsam mit Stephan Balkenhol an der „Kunst im Park“ in Lahr teil mit einer „Raucherbox“ – eine humorvolle Hommage an die ausgesperrten Raucher, gestrichen im Roth-Händle-Rosa. Innen ramponiert – ein Verweis Metzels auf den Umgang mit öffentlichen Gegenständen. Mit der Farbe stellte er den lokalen Bezug her. Ein gutes Beispiel für Metzels Anspruch und Ansatz. Dieser lokale Bezug findet sich in der Skulptur „Artikel 5“ wieder – Offenburg, die Medienstadt, die Stadt, in der die Pressefreiheit eingefordert wurde.

Aluminiumplatten, bedruckt als Zeitungs- und Buchseiten, Notizen und Fotos, sind ein wiederkehrender Aspekt von Metzels Werk. In der Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin hängt „Noch Fragen?“, für die „Aufmacherkunst“ der Mittelbadischen Presse hatte Metzel 2012 ebenfalls mit Zeitungstexten gearbeitet. Auch hier Aluminiumplatten gefaltet, geknickt, geknüllt, auch hier nur die Suggestion, die Illusion einer Zeitung. „Künstlichkeit der Kunst“, nannte es Metzel in einem Interview mit der Mittelbadischen Presse.

Mit der Illusion spielte er auch in den Arbeiten, die er 2018 auf Einladung von „OG Projects“ schuf. Zeitungsnachrichten inspirieren den Bildhauer. Metzel bezeichnet seine Arbeiten daher auch als „dreidimensionale Bilder, die eine Zeitform sind“; auf seinen bedruckten und gebogenen Aluminiumplatten dokumentiere er gesellschaftliche Prozesse. Mit derartigen „Druckerzeugnissen“ war er auch 2018 Gast beim ZKM: 100 Meisterwerke zum Thema Medien und Zeitung in der Ausstellung „Kunst in Bewegung“.

Zur Eröffnung der Pinakothek der Moderne in München 2002 schuf Metzel die „Reise nach Jerusalem“ in Anlehnung an das Spiel: eine Säule ummantelt mit schillernden Plastikstreifen, die Stühle verdecken. Hinter dem Schönen, so die Assoziation, kann auch das Grausame stecken. Faszinierend ist die Lichtskulptur „Schicht im Schacht“ in Duisburg, die auf das Ende des Bergbaus hinweist, die aber in die Zukunft leuchtet; nicht melancholisch, sondern in bunten Farben.

Man sagt ihm nach, ein Provokateur zu sein. Metzel verneint das, spricht eher von kreativer Unruhe, von „Initialreizen“, die den Betrachter zwingen, über seine eigenen Ansichten und Werte nachzudenken. „Provokation als Denkanstoß“, nannte er es. Er provoziere nicht gerne, er wolle den öffentlichen Raum ausloten, betonte er im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. „Kunst im öffentlichen Raum“, so Metzel im Gespräch, solle immer Anlass für Diskussionen geben. Metzel wirkt auch nicht wie ein Provokateur, er ist ein nachdenkender, analysierender Mensch. 

Als Provokation empfunden wurde etwa das Werk „13.4.81“ von 1987: ein vier Meter hoher Turm aus Polizeiabsperrgittern für den Skulpturenboulevard Berlin – Metzel setzte ihn an die Stelle, wo am 13.4.1981 Straßenschlachten zwischen Hausbesetzern und Polizei tobten. Oder „Stammheim“ (1984), ein drei Meter hoher Lorbeerkranz aus Beton vor dem Württembergischen Kunstverein in Stuttgart; daneben schrieb er „Stammheim“ an die Fassade. 

Gleichzeitig gilt Metzel als „Volkskünstler“, der Kunst direkt in den Lebensbereich der Menschen hineinbringt. Für alle und kostenlos, mit Stemmeisen und Flex, sagt er. So war die „Aufmacherkunst“ der Mittelbadischen Presse aus seiner Sicht auch eine Form von „Volkskunst“. 

Viele seiner monumentalren Arbeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass Bestehendes auseinander genommen und verfremdet wird, Alltagsmaterialien in neue Kontexte gesetzt werden. Olaf Metzel ist seit den 80er-Jahren eine feste Größe in der künstlerischen Auseinandersetzung mit der deutschen Wirklichkeit.

Bis Ende 2019 Professor an der Kunstakademie München, sah er seine gesellschaftliche Verantwortung darin, seinen Studenten eine ordentliche Ausbildung, dem Betrachter etwas zum Nachdenken zu geben. Nicht belehrend, sondern Freiräume schaffend. Ein großartiger Künstler eben.

Geboren 1952 in Berlin, studierte Olaf Metzel von 1971 bis 1977 an der Freien Universität Berlin an der Universität der Künste. 1984: Erste Gruppenausstellung „Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst“, Düsseldorf. 1987 Teilnahme an der documenta 8 in Kassel und Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom. 1987 und 1997 Biennale Skulptur-Projekte Münster. 1990 bis 2019 Professor für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, von 1995 bis 1999 deren Rektor.  Preise: 1990 erhielt Metzel den Kurt-Eisner-Preis, 1994 den Arnold-Bode-Preis der documenta, 1996 den Wilhelm-Loth-Preis, 2001 den Ernst-Barlach-Preis, 2005 den Kunstpreis der Landeshauptstadt München, 2010 den Lichtwark-Preis, 2016 den Kulturpreis Bayern und 2018 den Jerg-Ratgeb-Preis.

1981 „Boeckhstr. 7, 3. OG“ in Berlin-Wedding (Kunstaktion). 1982 „Türkenwohnung Abstand 12.000 DM VB“ in Berlin (Kunstaktion). 1984 „Stammheim“ in Stuttgart. 1987 „13.4.1981“ (Randale-Denkmal), Berlin, Teil des Skulpturenboulevards am Kürfürstendamm, nach Protesten entfernt und im November 2001 wieder aufgebaut. 1993 „Meistdeutigkeit“ in Bonn vor dem Plenarsaalgebäude. 2000 „Nicht mit uns“ in München-Riem. 2002 „Die Reise nach Jerusalem“ Pinakothek der Moderne München. 2005 „Cash Flow“. 2006 „Auf Wiedersehen“ in Nürnberg, getürmte Stadionsitze, DFB-Kunstprojekt zur Fußball WM 2006. 2007 Türkish Delight“.  2009/10 „Schicht im Schacht“ Duisburg, Lichtkunstwerk zur Kulturhauptstadt. 2010 „Hartz IV wird 5“, Happening. 2013 „Noch Fragen?”, Lesesaal der Staatsbibliothek zu Berlin.