Pizza ohne Pizza: Dollase vs. Mensa (31) - Blogseminar

2022-07-29 09:41:47 By : Mr. Landy ou

21. August 2017 von Jürgen Dollase | 6 Lesermeinungen

In dieser Rezeptfolge handelt es sich um ein Psycho-Gericht. Der Gaumen meldet andere Reize, als das Gehirn erwartet. Am Schluss sind aber beide zufrieden mit diesem abgewandelten Klassiker.

Video: Jürgen Dollase vs. Einheitsgeschmack, Ort: die eigene Küche, Rezept: “Pizza ohne Pizza”

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in dieser letzten Rezept-Folge von „Dollase vs. Mensa“ geht es um einen Hauch von Psycho-Küche. Bei meiner „Pizza ohne Pizza“ fehlt das Brot/der Boden, also das, was uns oft schon aus größerer Entfernung erkennen lässt, dass es sich um eine Pizza handelt. Dem Gaumen macht der fehlende Boden aber anscheinend wenig. Es schmeckt wie Pizza, und irgendwie sieht es ja auch wie Pizza aus – nur eben ohne den Teig darunter. In dieser Gegend öffnet sich ein interessantes Feld. Was wäre, wenn es nicht so aussähe wie ein Pizza-Belag, aber trotzdem wie Pizza schmecken würde? Wenn also zum Beispiel eine Dekonstruktion vorläge? Vor vielen Jahren gab es einmal dekonstruiertes Gemüse aus der Hand des berühmten spanischen Avantgardisten Ferran Adria. Er präsentierte auf dem Teller ein paar Geleestreifen in unterschiedlichen Farben und jeweils mit dem Aroma einer anderen Gemüsesorte. So etwas zu essen, ohne zu wissen, was es ist, brachte damals dann schon einige Gäste ins Grübeln.

Ganz anders arbeitet der Kopf in folgendem, weit verbreiteten Fall, den viele Köche kennen und oft genug beklagen. Wenn sie einen „Kalbskopf mit Vinaigrette“ (oder einer Sauce Ravigote) auf die Karte setzen, ist das für viele Gäste ein absolutes „No-Go“ – vielleicht weil sie tief im Innern die Befürchtung haben, da würde ein kompletter, sehr bleicher und sehr tot aussehender Kalbskopf hereingetragen. Serviert man den Gästen aber z.B. eine „Kalbskopfpraline“ als Kleinigkeit vor dem Essen und sagt nicht dazu, was es ist, bekommt man oft die Nachfrage: „Was war das denn, das schmeckte aber lecker!“ (eine solche „Kalbskopfpraline“ sieht meist aus wie eine Krokette und ist mit einer Art Hack von verschiedenen Teilen des Kalbskopfes gefüllt). Wenn der Kopf nicht durch irgendwelche merkwürdigen Vorerfahrungen blockiert ist, reagiert er oft sehr vernünftig. Das ist genau wie im richtigen Leben.

Sie können auch in ihrer WG mal einen einfachen, weiterführenden Versuch machen, und zwar zum Beispiel mit dem Kartoffelpüree vom Vortag (es sollte gut kleben und etwas fester sein), das sie zu Kugeln formen und panieren (also erst in Mehl rollen, dann in geschlagenem Ei, dann in Paniermehl, bis die Kugeln ganz von Paniermehl bedeckt sind. Diese Kugeln werden dann in heißem Fett leicht kross und braun ausgebacken). Soweit die Technik. Der Gag: drücken Sie vorher eine Füllung in die Kugeln. Vielleicht Leberwurst oder geräucherten Fisch oder ein Stück Haribo-Lakritz oder einen kleinen Wurstwürfel. Ihrer Phantasie sollten Sie da keine Grenzen setzen. Ihre Gäste bekommen dann Kugeln und kennen den Inhalt nicht. Selbstverständlich sollten sie die Kugeln ohne Zögern in den Mund stecken … und dann raten. So oder ähnlich kann man sehr viel spannende Dinge ausprobieren.

Nun aber noch die Rezepte von heute:

Zum Gratinieren brauchen Sie irgendeine Gratin-Form. Die Mengen können Sie leicht variieren. Meine Angaben beziehen sich auf die verwendeten kleinen Formen von etwa 15 – 18 cm Durchmesser.

Parmesan: gute Qualität von ca. 18 – 24 Monaten Reife. Mit einer feinen Reibe (Microplan) soviel reiben, daß der Boden der Form etwa 2 cm hoch gefüllt ist. Haben Sie keine so feine Reibe, brauchen Sie etwas weniger Käse

Tomaten-Passato: Fäden von einem handelsüblichen Passato. „Fäden“ entstehen, wenn man den gefüllten Löffel eher zügig über die Fläche verteilt.

Olivenöl: Fäden von einem eher stark fruchtigen Olivenöl (stark-fruchtig bedeutet, daß es deutlich nach reifer Olive schmeckt)

Basilikum: Streifen oder kleine Blättchen

Zur Abrundung des fertigen Gratins: Basilikum, Tomatenwürfel, halbe Kirschtomaten

Zur Fertigstellung den Ofen auf maximale Oberhitze aufheizen. Die vorbereitete Form auf das oberste Rost stellen und so lange gratinieren, bis sich im Innern der Form an den Rändern erste braune Röstspuren vom Käse entwickeln. Vor dem Servieren 5 Minuten (oder etwas mehr) abkühlen lassen, damit das Gratin auch leicht krosse Partien entwickelt.

Tomatenwürfel: einige Würfel von ca. 6 – 8 mm Kantenlänge

Oregano/Majoran: kleine Blättchen, etwa 1 TL

Kapern: 1 TL kleine Kapern (also nicht die großen Kapernbeeren)

Oliven: ca. 4, in drei bis 4 Stückchen zerteilt

Junger Knoblauch (optional): kleine Stückchen von etwa 3-4mm Durchmesser. Es geht nur junger Knoblauch, weil die Garzeit sehr kurz ist. Älterer ist fester und würde mehr oder weniger roh bleiben.

Ich wünsche viel Vergnügen!

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Pizza ohne Pizza: Dollase vs. Mensa (31)

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Pseudo und eine Frage Hallo Herr Dollase, zum Thema Pseudogeschmäcker: Probieren Sie mal eine getrocknete Olive kandiert !!! Solch ein Genuss habe ich einige meinen Bekannten und meiner Frau die den Olivengeschmack überhaupt nicht will, zur Blindverkostung gegeben. Sie erahnen es schon, es wurde fast nicht raus geschmeckt. Da der süßliche Geschmack mit dem säuerlichen einer Olive so vermischt, vorallem beim schlutzen, das hier die abenteuerlichsten Vermutungen aufgestellt wurde. Zum Thema Pizza ohne Pizza eine Frage !!!! Wird der Parmesan unten fest, da er keine Unterhitze kriegt, oder ist die Konsistenz mehr so “gummig zäh” (im positiven Sinn). Auch wenn es ruhen muss. Bei Parmesanplätzchen ist er schön crunchig, da ist aber keine Zutat mit drauf ? Was heißt hier letzte Rezept-Folge. Herr Dollase, bitte mehr davon !!!!

Salz Sehr geehrter Herr Dollase,

ich hätte noch eine Anregungen für einen künftigen “Grundkursbeitrag” zum Thema Variationen von Salz. Mir war beim Kochen ein wirklicher Augenöffner zu erleben, dass Salz eben nicht gleich Salz ist.

Mit besten Grüßen Klaus Kramer

Essentials für das studentische Küchenzubehör Sehr geehrter Herr Dollase,

in meinem Bekanntenkreis wird gerade dem Filius die erste Studentenwohnung ausgestattet. Dabei war auch an die Küchenausstattung zu denken, und es verwundert sicher nicht, dass die Frage, welche essentiellen Arbeitsgegenstände – und vor allem: in welcher Qualität, quasi als Investition in die kulinarische Zukunft – anzuschaffen sei, intensiv diskutiert wurde. Daher meine Anregung, sofern Sie sich hierfür berufen fühlen, auch einmal über “Messer, Töpfe und Co.” für die Studentenkücheneinrichtung zu referieren.

Mit besten Grüßen Klaus Kramer

p.s.: Neben Pizza sind Nudeln in der studentischen Küche noch immer sehr beliebt, wie man mir sagte. Vielleicht haben Sie auch dafür geschmacksknopsenerweiternde Tipps?!

Pizza ohne Sättigungsbeilage... Hat sicher einige Berechtigung. Mir würde allerdings der BODEN fehlen. Den Teig Um gottes willen nicht ausrollen, sondern liebevoll wie eine italienische Mama mit den Fingerspitzen flach tupfen. Dann mindestens 3 Stunden in den Kühlschrank, geht auch über NACHT! dann wieder auf Zimmertemperatur kommen lassen. Beim Vorheizen des Ofens stelle ich den Pizzaboden schonmal rein. Bei 45 grad nehme ich sie zum Belegen raus. Belegen Tuch drüber und Warten bis der Ofen 230 Grad hat. (mehr kann meiner nicht, sonst dürfte es auch ein wenig mehr sein. Ds Ergebnis hat bisher alle, die mich in meinem grauen Rentneralltag besuchen, überzeugt bis begeistert

Dank Sehr geehrter Herr Dollase,

bitte bleiben Sie dieser Leserschaft weiter mit dieser Art von Rezepten und dazugehörigen Kommentar von Ihnen treu. Ihre Beiträge wirken entschleunigend und von absoluter Klarheit. Die Rezepte helfen Unsicherheiten zu bewältigen und mit Aufgeschlossenheit Neues zu wagen.

Ich habe einen persönlichen Vorschlag.

Schreiben Sie Ihr persönliches Kochbuch – nein – nicht die Art wie Sie es unlängst publiziert haben…. etwas ganz anderes…

Sie kennen sich in ganz Deutschland aus und ich unterstelle Ihnen auch, dass Sie sich im ganzen europäischen Raum gastronomisch zu Hause fühlen.

Viele Chefköche große wie kleine, tv Köche und Pseudo Köche bringen jährlich “Selbstdarstellung” s Literatur heraus.

Wäre es nicht an der Zeit das beste aus allen Lagern zu ziehen und eine fundierte Rezeptsammlung zu erstellen. Eine Rezeptsammlung die a la Modernist Cuisine präzise und einheitlich daher kommt. Wo Querverweise und geschichtlicher Hintergrund sowie die einzelnen großen Köche unserer Zeit verewigt werden in Form eines Gerichts.

Wenn man Ihnen die Auswahl lassen würde, die 100 größten Neuerungen unserer Zeit nach der Novelle Cuisine aufzuführen und zu beschreiben, wäre dies ein Meilenstein in unserer Zeit.

Bisher fehlt es doch an Durchblick und man hat das Gefühl von “Kraut und Rüben”.

Welches sind die Gerichte von 1990 bis 2020 die uns erhalten bleiben sollten?

Diese Aufgabe kann kein Küchenchef alleine bewältigen, noch können Pseudo Gastro Kritiker einen geschichtlich wertvollen Beitrag leisten.

Einen weiteren Punkt den ich selten kritisch betrachtet sehe in der Gastronomie, ist die Art von Arbeit die man sich von Gastronomen erwartet – die Art von Umgang in der Küche selbst – die finanzielle Problematik und teilweise Ausbeutung die statt findet…So viele Gerichte sind so aufwändig entstanden, dass der Kochprofi bei der Betrachtung dieser exquisiten Meisterwerke sich selbst die Frage stellt, wie so etwas für alle daran teilhabenden Arbeitshände noch wirtschaftlich und mit echter Aufrichtigkeit vertretbar ist? Ist das die Zukunft? Ein Küchenchef, 3 souschefs hoch bezahlt, Restaurants in den roten Zahlen und vom Mäzenen gesponsert , alle anderen Angestellten zwischen 16 und 22 Jahren, die auf Billiglohn “mitarbeiten dürfen” – da für diese ja weltweit alle Türen in großen Restaurants später offen stehen? Wirklich. Wieviele von denen bleiben in der zweiten und dritten Liga stehen und Fristen ein Gnadenbrot? Und wir sprechen nicht vom Fußball wo man in den unteren Ligen noch die Familie ernähren kann und mit erhobenem Haupt durch die Straßen spaziert. Geblendet von den Meisterwerken und Meistern unserer Zeit möchte ich offen auf dieses Missverhältnis hinweisen.

Ich vertrete folgende Meinung: 1. Jegliche Gastronomie muss sich und seine Angestellten wirtschaftlich tragen und fördern können.

2. 10 Hände für das Anrichten einer Speise mit Pinzetten gilt es grundsätzlich in Frage zu stellen. Nachkochen fällt dank Personal und unpräzisen Rezepten weg, und wir haben noch nicht mal vom Einkauf gesprochen. Diese Krankheit muss aufhören. Schicki Mikki für die Heim Bibliothek ohne Mehrwert. Kochbücher von Köchen für Köche gibt es genug. Es wird Zeit diese für das allgemeine Volk zugänglich zu machen und mit angepassten Inhalt bei der Leserschaft zu punkten. Und “angepasst” heißt nicht schwachsinnig und pseudo lässig und TV gesteuert….

3. Forschung und Sensorische Weiterbildung ja, aber es kann nicht sein, dass ein einfacher Angestellter eines Döner Ladens das Gleiche wie ein Angestellter im Sterne Restaurant verdient.

4. Gutes Essen muss für alle einen Mehrwert haben und besonders in der heutigen Zeit umgeben von wirtschaftlichen Engpässen und Arbeitslosigkeit von den großen Küchenchefs dieser Zeit zur Kenntnis genommen werden. Hier gilt es Antworten zu finden – Antworten, die hier von Herrn Dollase in diesem Blog gegeben werden.

Deshalb ist dieser Blog hoffentlich noch lange nicht am Ende sondern hoffentlich der Wegbereiter für noch weitere wirtschaftlich tragbare und sensorische Eingebungen unserer großen Gastronomen unserer Zeit.

Mit den besten Wünschen und Dank an Herrn Dollase.

Titel eingeben Herr Fitzek, Darum haben wir auch ein sehr großes Nachwuchs Problem , selbst in der Betriebsgastronomie, wo die Ausrede ” Unregelmäßige Arbeitszeit” wegfällt. Die Junge dürfen nicht an das wesentliche ran, da hat sich in den letzten 30 Jahren nichts rein gar nicjts geändert. Die anderen Ansichten um Hr. Dollase kann ich so unterschreiben. Da muss einiges passieren.

Pizza ohne Pizza: Dollase vs. Mensa (31)

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Jürgen Dollase Gastronomiekritiker für F.A.S. und F.A.Z., Journalist, Buchautor

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